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FB356 Generation BRD
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FB356 Generation BRD

Über die Gründungsveranstaltung einer Jugendorganisation und ihre Gegenveranstaltungen

Darum geht’s

  • 🚀 Gründung der “Generation Deutschland”: Die neue Jugendorganisation der AfD als Nachfolger/Ergänzung zur Jungen Alternative.

  • 📢 Aufmerksamkeit durch Proteste: Wie die massiven Gegendemonstrationen der Veranstaltung ungewollt mediale Reichweite verschafften.

  • 🏃‍♂️ Der Fall Paul Ronzheimer: Die Jagd auf den Sat.1-Reporter durch Linksextreme und die Parallelen zu rechtsextremen Pressefeinden.

  • ⚖️ Hufeisentheorie in der Praxis: Systemablehnung, “BRD”-Rhetorik und Gewaltbereitschaft an beiden politischen Rändern.

  • 🤡 Innenansichten des Parteitags: Ein Redner mit “Hitler-Duktus”, 12 % Zustimmung und fragwürdige Optik der Teilnehmer (”Westentaschen-Himmler”).

  • 📱 Strategischer Ausblick: Professionalisierung der Jugendarbeit, Social-Media-Dominanz (TikTok) und das Risiko eines beschleunigten Verbotsverfahrens.

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Vollständiges Transkript

Ich könnte mir vorstellen, dass sich kaum jemand an die Gründungsveranstaltung der JA, der Jungen Alternative, erinnern kann. Nichtsdestotrotz war die ja nicht ganz ohne Bedeutung und die Partei war zu dem Zeitpunkt durchaus auch schon einigermaßen in aller Munde – aber offensichtlich noch eine andere Hausnummer, als dies heute der Fall ist.

Am Wochenende wurde die neue Jugendorganisation der AfD gegründet: Sie heißt Generation Deutschland. Und ich glaube, niemand hat nicht mitbekommen, dass sie gegründet wurde. Und das ist dummerweise weniger das Verdienst der AfD selber. Die hätte das, glaube ich, so einigermaßen unter Ausschluss der Öffentlichkeit schon auch gerne erledigt, weil dann guckt man auch nicht so genau hin, welche Köpfe da eigentlich sitzen und wie das da eigentlich so abgelaufen ist. Das ist der Vorteil für sie.

Aber man muss auch sagen: Das Maß an Aufmerksamkeit, das der ganzen Geschichte medial geschenkt wurde, geht – ich würde mal sagen – mindestens zur Hälfte auf das Konto der Demonstranten, die dagegen demonstriert haben. Nicht, dass ich es nicht verstehen könnte, dass man dagegen demonstriert. Aber wenn man das dann so ausarten lässt, wie es teilweise ausgeartet ist, dann wird es problematisch. Es wurde tatsächlich versucht, diese Veranstaltung zu verhindern. Das heißt, die Leute haben sich eingebildet, sie könnten durch Blockaden verhindern, dass diese Jugendorganisation entsteht.

Ich sage mal: Es ist rein physisch nicht unmöglich, das zu schaffen. Rein rechtlich ist es eigentlich nicht darstellbar. Also, es darf halt nicht sein, weil das hat irgendwo dann auch was mit unseren Grundrechten zu tun, mit Versammlungsfreiheit. Und die AfD ist – das mag man bedauern, ich persönlich bedauere das – aber sie ist eine zu Wahlen zugelassene Partei. Und somit kann man nicht einfach sagen: “Die darf aber jetzt keine Jugendorganisation gründen.” Das haut nicht hin. Das ist inkonsequent. Wenn man möchte, dass sie das nicht tut, dann muss man sie verbieten. Aber man kann nicht den zweiten Schritt vor dem ersten tun.

Wie dem auch sei: Dieses Theater, was dort aufgeführt wurde, hat natürlich massiv zur Aufmerksamkeit beigetragen und ist der Grund, warum keiner von uns nicht mitbekommen haben dürfte, dass die AfD jetzt eine neue Jugendorganisation hat. Geführt wird sie von einem Herrn, der eigentlich landläufig wirklich als Rechtsextremist aufgefallen ist bisher. Mal gucken, wie er sich so als Chef dieser neuen Jugendorganisation gibt. Aber na ja, man muss schon sagen, dass da in eine sehr konkrete Richtung das Führungspersonal ausgesucht wurde. Man kann auch davon ausgehen, dass das kein Zufall ist.

Wahrscheinlich hat er sich im Vorfeld auch schon um die Organisation des Ganzen gekümmert. Man stampft ja nicht mal eben so etwas aus dem Boden, da muss ein bisschen was vorbereitet werden, zum Beispiel Satzungsentwürfe und all solche Geschichten. Deswegen ist es jetzt auch nicht verwunderlich, dass er nachher gewählt worden ist. Wo ich aufhorche, denn die Partei hat das Ganze auf den Weg gebracht, ist: Es ist halt auch eine inhaltliche Ansage und ich finde, die kann man nicht komplett ignorieren.

Was man auch nicht komplett ignorieren darf, ist – abgesehen von dem Vorhaben der Linksextremisten, diese ganze Veranstaltung zu verhindern oder zu blockieren – was dort konkret passiert ist. Was nicht minder interessant und aufschlussreich ist: Dass sie – das heißt die Demonstranten, vielleicht waren es auch irgendwelche anderen Linksextremisten – teilweise Jagd auf einen Bild-Reporter gemacht haben. Aber nicht auf irgendeinen, sondern ausgerechnet auf Paul Ronzheimer, der vor Ort war für Sat.1.

Er hat dort ein Doku-Format, wo vornehmlich Interviews geführt werden und wo es so grob darum geht: Wie geht es eigentlich Deutschland? Wie ticken die Leute hier gerade? Und da ist diese Veranstaltung eigentlich wie gemacht dafür, weil er solche Interviews drinnen in der Halle mit der einen Seite führen konnte und draußen eben mit der anderen Seite. Das ist natürlich super interessant für so ein Format und journalistisch auch wirklich absolut einwandfrei. Man sieht einfach, wie Welten aufeinanderprallen und wo die Bruchlinien sind.

Den haben dann einige der Herrschaften erkannt. Er ist eben auch hinreichend in den Medien vertreten. Jetzt ist es ja so, dass Ronzheimer nicht eben bekannt ist als Freund der AfD. In AfD-Kreisen ist er eigentlich gehasst und diese ganzen AfDler arbeiten sich gerne an ihm ab. Er steht für ganz viel, womit die AfD ihre Probleme hat: Er ist selber, soweit ich weiß, homosexuell. Er lässt selten ein gutes Haar an der AfD. Er ist eindeutig und öffentlich pro Ukraine. Er steht für ganz viel, für das die AfD nicht steht. Er ist jedenfalls das Gegenteil eines AfD-Sympathisanten.

Nichtsdestotrotz hat ein Mob bei diesen Demonstrationen – wir reden von einer kleinen Gruppe, nicht von den Zehntausenden – ihn angefeindet. Er berichtet davon, dass er regelrecht gejagt worden ist von denen. Und es ist nicht so richtig klar, was passiert wäre, wenn nicht die Polizei ihn da mehr oder weniger in Schutzhaft genommen hätte. Sie haben ihn mitgenommen auf ihr Polizeigelände und erst mal eine Stunde mit seinem Team ausharren lassen, bevor sie ihn wieder rausgelassen haben, weil es zu gefährlich war (”die lauern da immer noch”).

Da muss man sagen: Das ist eigentlich eine Geschichte, die kennt man so eben auch von rechts. Das machen Rechtsextreme so ähnlich. Wenn Ronzheimer sich auf eine Corona-Demo damals gestellt hat, hat er wahrscheinlich ähnliche Reaktionen abbekommen. Andere Medien bekommen genau diese Reaktionen oder auch Welt-Journalisten, wenn die auf einer Palästina-Demo sind. Das heißt, das ist eindeutiger politischer Extremismus, was da abläuft. Zudem war ein Lautsprecherwagen unterwegs, der aktiv dazu aufgerufen hat, das Team zu stören und Krach zu machen, damit sie ihre Arbeit nicht machen können. Also es wurde aktiv zur Behinderung der Presse aufgerufen.

Ich finde, das ist eine Begebenheit, die tief blicken lässt, wo wir in diesem Land stehen. Was wir hier sehen ist, dass es auf beiden Seiten des politischen Spektrums Extremisten gibt, die ernsthaft auf so eine Art Weimar hinarbeiten, wo wir uns alle schön die Köpfe einschlagen. Und alle dazwischen wissen nicht so richtig damit umzugehen.

Auffällig ist auch der Sprachgebrauch. Von rechts spricht man seit einer Weile sehr deutlich nicht von “Deutschland”, wenn sie Deutschland meinen. Sie sagen gerne “BRD” oder “Bundesrepublik Deutschland”. Ein Redner auf der Gründungsveranstaltung stellte die Frage: “Sind Sie ein V-Mann der Bundesrepublik Deutschland?” Er fragte nicht, ob er ein V-Mann des Verfassungsschutzes sei. Für ihn ist die Bundesrepublik Deutschland so ein Ding, das V-Leute schickt. Dieses Wording “BRD” ist eines, das von der SED stammt. Die SED hat Deutschland so genannt, um es nicht anzuerkennen. Wenn AfDler dieses Wording so übernehmen, dann ist das Absicht und da steckt eine Aussage dahinter: Nämlich die, dass sie diesen Staat, so wie er ist, abgrundtief ablehnen bis hin dazu, dass sie ihn gar nicht anerkennen.

Ihr Feindbild ist dieses Land, ist unsere Demokratie, sind unsere Werte, ist unsere Westbindung, ist die NATO, ist die EU. Diese ganzen Dinge sind die gemeinsamen Feindbilder von Linksaußen und von Rechtsaußen. Und sowas wie die Pressefreiheit gehört dazu – da wird man von rechts genauso blöde angefeindet, bis hin zu gejagt und gehetzt, wie von links.

Was ist nun von dieser neuen Jugendorganisation, von der “Generation Deutschland” zu erwarten? Schlimmes, fürchte ich. Ich glaube, die werden sehr erfolgreich sein. Weil die AfD auch bisher in ihrer sogenannten Jugendarbeit sehr gut ist und gut ankommt – Social Media sei Dank. Das haben sie durchgespielt. Die neue Jugendorganisation ist genau darauf getrimmt, das noch zu perfektionieren. Als Unterabteilung der Partei wird sie das eher noch effizienter und mit noch kürzeren Dienstwegen tun als vorher.

Vielleicht hat sich die AfD damit aber auch einen weiteren Sargnagel reingehämmert. Das ist jetzt mal der positive Teil des Ausblicks. Weil sie eben sehr deutlich in eine extremistische Richtung aufgebrochen ist. Es gab einen Redner, der sich für den Vorstand beworben hat und eine Art Hitler-Rede abgeliefert hat. Man munkelt, das sei ein Comedian, aber Fakt ist: Sein Kreisverband hat ihn als sachkundigen Bürger in den örtlichen Rat geschickt. Der hat jedenfalls eine Rede im Stil von Hitler geliefert – sowohl inhaltlich als auch den Gestus hatte er gut drauf, inklusive des “Rollenden R”.

Dieser Typ hat – und das ist das Erschreckende – 12 Prozent der Stimmen für sich gewonnen mit dieser Rede. Wenn ihn jetzt fünf Hanseln gewählt hätten, wäre es egal. Aber 12 Prozent sind ein Achtel. Das ist ein relevanter Teil, der diese Rede, diesen Inhalt, diesen Gestus aufrichtig gut fand. Da wird ein vergleichsweise großer Anteil an Neonazis darunter gewesen sein. Das zieht sich auch optisch durch: Manche sahen aus wie “Westentaschen-Himmler”. Wirklich, die sahen teilweise wie Karikaturen von NSDAP-Mitgliedern aus. Und das machst du doch nicht aus Versehen, wenn du beweisen willst, dass du nicht rechtsextrem bist.

Kurzfristig wird die “Generation Deutschland” der AfD dabei helfen, neue Wahlerfolge einzufahren, insbesondere bei jungen Wählern, wo sie eh schon sehr gut sind und wo Social Media (TikTok) ihnen eine Steilvorlage liefert. Das wird ein Konjunkturprogramm für die AfD werden. Wenn es langfristig ein Sargnagel wird, weil es Beweise für ein Verbotsverfahren liefert, dann wäre das der positive Nebeneffekt. Aber bis dahin haben wir jetzt erstmal den Salat.

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